«Entdecken» ist das Stichwort in diesem kleinen Balkanland. Denn auch wenn es sich immer grösserer Beliebtheit bei Reisenden erfreut, gibt es noch viele unentdeckte Fleckchen, die sich am besten mit einem Mietwagen ansteuern lassen.
Auf dem Programm: quirlige Städte, verborgene kleine Strandabschnitte, bunte Wildblumenwiesen inmitten bedrohlich wirkender Gebirgszüge und versteckte Dörfer, in denen noch alte «Rachetürme» zu sehen sind, die einst Männer vor grausamen Blutfehden beschützten.
Auf Albaniens Strassen könnte es passieren, dass Ihr Blutdruck in die Höhe schiesst, da einige Autofahrer die Verkehrsvorschriften nicht ganz so genau nehmen. Aber wenn Sie die Finger vom allseits beliebten Raki lassen und in den Serpentinen hupen, sobald Sie in die Kurve einfahren, sind Sie auf der sicheren Seite. Nein, wirklich! Lassen Sie sich vom leicht chaotischen Verkehr bloss nicht abschrecken, eines der wohl beeindruckendsten Länder Europas zu bereisen.
Route Nr. 1: bunte Hauptstadt, osmanischer Prunk und Strandbesuche der albanischen Art
Erster Tag: Tirana – Durrës
Beginnen Sie Ihre Reise in Albaniens flippiger Hauptstadt Tirana: ein wenig heruntergekommen, aber dank der in leuchtenden Farben gestrichenen Fassaden im wahrsten Sinne des Wortes «bunt». Verantwortlich für diesen Farbtupfer ist Edi Rama, seines Zeichens Künstler, der schliesslich Bürgermeister wurde und nun Premierminister ist. Stärken Sie sich mit einem währschaften albanischen oder italienischen Essen, bevor Sie die etwa einstündige Fahrt nach Durrës antreten, wo Sie die Nacht verbringen.
Zweiter Tag: Durrës – Berat
Die frühere Hauptstadt Durrës besticht durch eine entschleunigte, beinahe meditative Lebensweise. Der rund 10 Kilometer lange Strand der Stadt ist zwar schön, aber das römische Amphitheater und das erstklassige archäologische Museum sind noch besser.
Wenn Sie alle neuen Eindrücke aufgenommen haben, machen Sie sich auf den Weg gen Süden nach Berat, einer anmächeligen Stadt mit bergiger Kulisse, kopfsteingepflasterten Strassen und vornehmen osmanischen Wohnhäusern, die sich an den Berg schmiegen.
Dritter Tag: Berat – Gjirokastra
Schwingen Sie sich in Ihr Auto und nach etwa drei Stunden Fahrt durch das Herz von Albanien erreichen Sie eine der eindrucksvollsten und schönsten Städte des Landes. Das augenfälligste ist die tausend Jahre alte Festung, aber auch die prächtigen Gebäude aus der Zeit des Osmanischen Reiches versprühen ihren Charme.
Vierter Tag: Gjirokastra – Saranda
Willkommen in der Touristenhochburg an der Albanischen Riviera! Im Sommer finden Sie in Saranda kaum genug Platz, um Ihr Handtuch auszubreiten, aber die Stadt eignet sich bestens, um einen authentischen Eindruck von Land und Leuten zu bekommen und ausserdem gibt es in der Umgebung viele weniger überlaufene Strände.
Im Ethnografischen Museum in Gjirokastra zeugen Fotos von der eigenartigen und oftmals tragischen kommunistischen Ära Albaniens.
Fünfter Tag: Saranda – Korça
Durch entzückende Landschaften gelangen Sie in eines der kulturellen Zentren Albaniens: Korça. Die Stadt hat sich in den letzten Jahren herausgeputzt und präsentiert nun eine riesige, renovierte orthodoxe Kathedrale mit zwei viereckigen Kirchtürmen und ein faszinierendes Nationalmuseum für mittelalterliche albanische Kunst.
Sechster Tag: Korça – Pogradec – Tirana
Zurück zum Ausgangspunkt: Auf dem dreistündigen Rückweg nach Tirana empfiehlt sich ein Stopp in der Kleinstadt Pogradec. Das am Südufer des Ohridsees – einem der tiefsten Süsswasserseen Europas – gelegene Städtchen ist umringt von Bergen und galt während der exzentrischen Herrschaft des kommunistischen Despoten Enver Hoxha als beliebtes Ferienziel. Obwohl das Städtchen ein wenig in die Jahre gekommen ist – oder vielleicht auch gerade deswegen – hat es seinen Reiz. Zusätzlicher Pluspunkt: In den zahlreichen am Wasser gelegenen Restaurants können Sie fangfrische Forellen geniessen.
Route Nr. 2: Badespass, Ruinenstadt und natürliche Quelle
Diese Route führt Sie auf direktem Wege zur Albanischen Riviera, wenn ein Sprung ins kühle Nass oberste Priorität hat. Entlang der Strecke gibt es anschliessend noch einige von Albaniens beeindruckendsten Sehenswürdigkeiten zu entdecken.
Erster Tag: Tirana – Saranda
Nachdem Sie ein oder zwei Tage die pulsierende Atmosphäre der Hauptstadt Tirana aufgesaugt haben oder die Vielzahl der dortigen kommunistischen Sehenswürdigkeiten bestaunt haben – einschliesslich der Diktator Hoxhas gewidmeten, nunmehr bröckelnden Pyramide –, fahren Sie zur Hafenstadt Saranda. Die gut vierstündige Autofahrt lässt sich mit einer Rast in Berat entzerren, der «Stadt der tausend Fenster», wie sie wegen der vielen grosszügig verglasten Bauten aus der Zeit des Osmanischen Reiches auch genannt wird.
Zweiter Tag: Butrint
Nur etwa 30 Minuten südlich von Saranda liegt Butrint, eine historische Ruinenstadt, die einige Jahrhunderte vor Christus – lange bevor die Römer kamen – erbaut wurde. Nutzen Sie die Flexibilität eines Mietwagens und kommen Sie bei Sonnenuntergang und vor den Touristengruppen an diesen Ort, um sich auf eine spannende Reise in die Vergangenheit zu begeben.
Dritter Tag: Lukova
Werfen Sie den Motor an und setzen Sie Ihre Reise in die entgegengesetzte Richtung, also gen Norden, fort. Nach ungefähr einer Stunde erreichen Sie den malerischen Strand von Lukova. In türkisblauen Farben schillerndes Meer, bewaldete Hügel so weit das Auge reicht und einige heimelige Bars und Restaurants – der ideale Ort, um abzuschalten und zur Ruhe zu kommen.
Vierter Tag: Syri i Kaltër
Es ist ein weiterer Tag am Wasser geplant, diesmal an der ca. 40 Minuten im Inland gelegenen Karstquelle Syri i Kaltër, was so viel wie «Blaues Auge» bedeutet. Der Name kommt nicht von ungefähr, denn diese von dichtem Wald umgebene 50 Meter tiefe natürliche Quelle sieht tatsächlich aus wie ein Auge: hellblaues Wasser, das sich an den Rändern etwas dunkler färbt und in der Mitte beinahe schwarz wird.
Fünfter Tag: Borsh
Wenn Sie noch einen weiteren Badetag einlegen möchten, fahren Sie eine Stunde Richtung Norden, bis Sie Borsh erreichen. An dem 7 Kilometer langen weissen Kieselstrand findet sich sicher ein ruhiges und hübsches Plätzchen, auch wenn der für Ästhetik blinde Entwicklungswahn leider auch hier langsam um sich zu greifen beginnt.
Sechster und siebter Tag: Borsh – Gjirokastra – Tirana
Planen Sie auf der Zielgeraden zur Hauptstadt noch einen Boxenstopp in der schnuckeligen Stadt Gjirokastra ein, die mit ihren mehrstöckigen osmanischen Gebäuden ein Bild längst vergangener Zeiten heraufbeschwört.
Route Nr. 3: Alpine Visionen
Die Albanischen Alpen tragen auch den Spitznamen «Verwunschene Berge», was Bände darüber spricht, wie unberührt dieser Teil des Landes ist. Aber keine Sorge: Die einzig drohende Gefahr ist, dass Sie sich in der Schönheit der Natur verlieren. Verfluchen werden Sie diese Gegend wohl kaum. Da Sie sich hier im Hinterland befinden, sollten Sie besser keine allzu detaillierten Reisepläne schmieden, sondern den Vorteil nutzen, dass Sie unabhängig und flexibel sind. Ein paar Highlights entlang des Weges seien Ihnen nichtsdestotrotz empfohlen:
Shkodra
Erwägen Sie in dieser nördlichen und höchst attraktiven Stadt ein oder vielleicht auch zwei Nächte zu bleiben, bevor Sie in die Albanischen Alpen aufbrechen. Shkodra zählt zu den ältesten Städten Europas und ist heutzutage vor allem für seinen literarischen Einfluss und die offensichtliche Angewohnheit seiner Bewohner bekannt, sich mit dem Fahrrad fortzubewegen.
Koman-Stausee
Der Anblick, wenn Sie mit einer Autofähre durch die Schlucht auf den von Bergen umsäumten Koman-Stausee fahren, ist einfach unbeschreiblich schön. Während der Überfahrt kommen Sie an Wasserfällen, sattgrünen Wäldern und vereinzelten kleinen Dörfern vorbei. Die Passage gilt nicht zu Unrecht als eine der atemberaubendsten, die man mit einem Schiff durchqueren kann.
Theth und Valbona
Die Kulisse, in der sich Theth befindet, scheint einem Märchen entsprungen zu sein: ein leuchtend grünes Tal zwischen schiefergrauen, mit weissem Schnee überzogenen Gebirgszügen. Es sieht so aus, als könnte jederzeit eine der Figuren aus den Märchen der Gebrüder Grimm um die Ecke biegen.
In Theth steht zwar noch ein «Racheturm», ein Zufluchtsort vor blutrünstigen Fehden, der wurde aber in ein schräges Museum umgewandelt. Und auch sonst ist der Ort alles andere als schaurig, vielmehr heimelig, herzlich und traditionell.
Besucher kommen hauptsächlich nach Theth und Valbona, weil man rund um die Dörfer hervorragend wandern kann. Auch Valbona erfreut sich einer malerischen Kulisse, ist aber im Gegensatz zu Theth schon etwas touristischer.
Die Infrastruktur in dieser Region wurde in letzter Zeit ausgebaut, sodass die moderne Lebensweise auch hier langsam Einzug hält. Benutzen Sie die Gelegenheit und lassen Sie sich noch vom Charme dieses traditionsbewussten Dörfchens verzaubern.
Kruja
Auf Ihrem Weg aus den «Verwunschenen Bergen» sollten Sie die Chance ergreifen und dem Geburtsort des albanischen Nationalhelden Skanderbeg, der vor über 600 Jahren das Licht der Welt erblickte, einen Besuch abstatten. Im Skanderbeg-Museum können Sie Ihr Wissen und unter Umständen auch Ihre Mitbringsel-Sammlung um eine kleine Figur des sogenannten «Osmanenkämpfers» erweitern, die den Rest dieses sich zu Ende neigenden Roadtrips auf dem Rücksitz miterleben darf.